Als Dorfmädchen in der Stadt

15. Mai 2016

Ich bin ein Dorfmädchen. Geboren im Schatten der Städte Heidelberg, Mannheim und Karlsruhe, bin ich auf einem kleinen Dorf - das für manch andere Leute vielleicht sogar schon groß ist - aufgewachsen.
Man könnte meinen, ein solches Dorf in der Nähe von drei Städten sei die Familienidylle schlecht hin und vielleicht ist es das für manche auch. Ich fand es schrecklich, wie ein Mensch der am falschen Ort geboren ist. Es war natürlich toll, dass man mit nur wenigen Schritten schon in der Natur war und andererseits in wenigen Minuten mit dem Zug in einer der Städte. Aber das wurde überschattet von der Einfachheit und Perspektivlosigkeit des Dorfes. Versteht mich nicht falsch, als Kind habe ich es geliebt und ich hatte eine wirklich tolle Kindheit, aber umso älter ich wurde um so mehr wollte ich weg.
Über die Dörfer verteilt gab es alles, Supermärkte, Restaurants, Cafes, Eisdielen,... Aber eben nur über die Dörfer verteilt. Bis zu meinem 18. Lebensjahr wäre ich ohne meine Mutter, die so nett war mich überall mit dem Auto hinzufahren, ziemlich aufgeschmissen gewesen. Natürlich könnte man diese Strecken auch mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurücklegen, aber nicht ohne eine Menge Zeit und Aufwand. Ein Bussystem gab es kaum, von anderen nicht vorhandenen öffentlichen Verkehrsmitteln will ich gar nicht erst anfangen.

Um ein Gymnasium zu besuchen musste ich in das Nachbardorf vom Nachbardorf. Auf dieses Gymnasium gingen alle Leute aus allen Dörfern im Umkreis von einigen Kilometern. Eine wirkliche Alternative dazu gab es erstmal nicht. Ihr könnt es euch vorstellen: eine Menge Dorfkinder auf einem Gymnasium. Daraus folgt zwangsläufig, dass geredet wird. Über jeden und alles. Ich habe es so sehr gehasst, dass ich irgendwann die Schule gewechselt habe, auf ein sozialwissenschaftliches Gymnasium in der nächsten Kleinstadt. Der Schulweg hat mich dann zwar noch weit mehr Zeit gekostet, aber das war es mir wirklich wert. Auch dann hat der Dorftratsch natürlich nicht aufgehört, denn man war ja immer noch in der selben Nachbarschaft. Eigentlich konnte man nichts machen ohne von den Nachbarn schräg angeschaut zu werden - meine blauen Haare vor ungefähr 2 Jahren waren wahrscheinlich das verrückteste, was die Nachbarschaft jemals gesehen hat.
Aber das ist nicht mal alles, Dörfer haben ein großes Problem, weil ihnen die jungen, gebildeten Leute wegrennen. Auf dem Dorf kann man nicht studieren - schon allein ein Gymnasium zu besuchen wird einem ja um einiges schwerer gemacht, als eine Hauptschule. Auf jeden Fall ziehen die meisten Gymnasiasten weg vom Dorf, sobald sie ihr Abitur in den Händen halten. Und ich bin da keine Ausnahme.

Nach Hamburg zu ziehen war für mich eine große Befreiung. Es gibt Menschen die lieben das Dorf, ich gehöre eindeutig nicht dazu. Nun genieße ich die wunderbaren Freiheiten der Stadt und mit ihnen die Anonymität. Ich liebe das Stadtleben, es wird einfach nie langweilig. Wenn man nicht weiß was man gerade tun soll geht man eben ein bisschen bummeln oder man schaut was gerade für Ausstellungen in den Museen sind. Das ist auch so etwas, die Stadt bietet eine Menge Kultur: ich liebe es einfach ins Theater oder ins Ballett zu gehen und tolle Ausstellungen konnte ich mir hier auch schon anschauen.
Ich liebe die Spontanität, die für mich mit dem Stadtleben eng verbunden ist. So war ich schon zwei mal spontan auf irgendwelchen Konzerten und natürlich des öfteren einfach mal Abends weg. Das mag sehr banal klingen, aber auf dem Dorf war sogar ein einfacher Abend in Heidelberg immer mit einer Menge Aufwand verbunden, denn wie sollte man nachts zurück aufs Dorf kommen, wenn die Bahnen nicht mehr fahren.
Hamburg war für mich außerdem definitiv die richtige Wahl, weil man hier nie weit von der Natur entfernt ist. Alles liegt am Wasser entweder an der Alster oder an der Elbe. Auf den Bildern seht ihr übrigens mich und all die schönen Orte am Wasser: der Hafen, die Speicherstadt und die Alster.