Fotografie studieren in der Niederlande

15. März 2016

Die Wahl des Studiums ist wohl für alle erstmal ein riesiger Schritt: eine enorm große Auswahl und man weiß oft noch nicht so wirklich was man will. Für mich gab es ganz klar zwei Dinge, die ich als meine Stärken sehe: Fotografie und Informatik - was ich allerdings nur vom in meinen Augen wenig aussagekräftigen Schulfach her beurteilen konnte.
Ich habe eine ganze Zeit lang überlegt, ob ich Fotografie studieren soll und mich schließlich dagegen entschieden. Fotografie ist mein Hobby, mein sicherer Hafen, meine Entspannung, das wollte ich nicht zum Beruf machen.
Heute habe ich einen Gastblogger für euch, der sich für ein Fotografiestudium in Rotterdam entschieden hat. Ich fand es super interessant von ihm zu erfahren wie genau so ein Studium aussieht und was er davon hält. Also lassen wir ihn erzählen, darf ich vorstellen: Ricardo vom Blog Hey Ricardo.

"Fotografie kann man studieren?

Ich glaube, wenn ich beantworten müsste, welchen Satz ich schon zum 10.000 Mal gehört habe wird es wahrscheinlich auf diese Frage herauslaufen: „Ach was! Fotografie kann man studieren?“ Nachdem ich dann meistens nur mit „Ja.“ antworte und mich innerlich schon darauf einstelle zu erklären was denn das Studium von einer normalen Ausbildung zum Fotografen unterscheidet. Und ich kann euch sagen, ich glaube nicht sehr viel.

Eine Ausbildung kam für mich nie in Frage

Eigentlich habe ich keine Ahnung warum eine Ausbildung für mich nie in Frage kam, ich glaube es war einzig und allein der Aspekt, dass ich nicht irgendwo für 3 Jahre Passfotos knipsen wollte. Zumindest habe ich mir so eine Ausbildung zum Fotografen vorgestellt...
Außerdem wollte ich immer schon ins Ausland. Dort arbeiten, leben, lernen – einfach mal raus und etwas Neues sehen. Ich denke, dass liegt daran, dass kreative Menschen immer neue Inspiration brauchen und da ist das Leben in einer Kleinstadt jetzt nicht gerade hilfreich und Reisen war schon immer meine Leidenschaft. Was gibt es schöneres als durch eine neue für dich unbekannte Stadt zu laufen und sich einfach komplett unbekannt zu fühlen – Entdecken ist doch super aufregend!
Ich kann es immer noch nicht wirklich glauben und wenn ich anderen erzähle, dass ich schon knapp ein halbes Jahr von zu Hause weg bin um in einer großen Stadt, in einem anderen Land zu studieren, ziehen meine Mundwinkel über beide Ohren... nein davon gibt es kein Foto 😉

Wie ist denn jetzt so ein Studium?

Erstmal muss man sagen, dass ich nicht an einer Universität studiere sondern an einer Kunstakademie – falls ihr jetzt den genauen Unterschied wissen wollt: ich habe absolut keine Ahnung, wir sind aber eher praktisch Beschäftigt und der wissenschaftliche Aspekt ist nur eine Nebenrolle.
Meine Schule benutzt das System von Projektunterricht, das heißt ich habe eigentlich keine klassischen Fächer sondern das Projekt: Fotografie, in dem im jedem, 10 Wochen dauerndem, Quartal, ein besonderes Thema behandelt wird.
Außerdem haben wir zwei Morgen oder Abende Zeit um das riesige Angebot unsere Schule zu nutzen. Wir müssen bestimmte Studienpunkte sammeln und dabei helfen uns „Offene Angebote“. Wenn du zum Beispiel Lust hast etwas über Typografie zu lernen, aber gar kein Grafikdesign studierst, kannst du dich so weiterbilden. Ein echt unglaublicher Vorteil zu anderen Schulen! Ich bin kein Freund von Werbung, aber bei uns kann man sein wer man sein möchte!
Es geht darum zu verstehen, dass ein schönes Foto nicht gleich ein gutes ist. Dass soll nicht heißen, dass dein Hochzeitsfoto oder das Foto von dem Sonnenuntergang aus dem letzten Urlaub, schlecht ist – im Gegenteil, ich fotografiere selbst auch Hochzeiten! Allerdings steht bei uns im Vordergrund mit einem Foto eine Geschichte zu erzählen, jemanden die Augen zu öffnen oder die Fotografie als Medium zu nutzen, um unsere eigenen Meinungen und Gefühle zu übermitteln. – Es ist also seeeeehr künstlerisch!
Außerdem wird bei uns sehr auf „Research“ geachtet, also die kreative Denkzeit bevor die Idee zu einem Foto entsteht. Dazu benutzen bei uns viele ein „Tagebuch“ wo einfach alles was uns einfällt, alle Ideen alle Gedanken, Bilder ... ach einfach Alles reingekritzelt und geklebt wird. Manchmal weiß man selber nicht was es soll aber es hilft ungemein. So ist es hinterher super einfach Denkprozesse nachzuvollziehen und die Ideen aus dem Kopf in ein Foto zubringen.
Einmal in der Woche steht dann noch Allgemeine Kunsttheorie an, das wohl von allen am meisten gehasste Fach. Dort lernen wir in klassischen Vorlesungen über die Geschichte der Kunst, von A bis Z und manchmal kreuz und quer. Jedes Quartal wird dann alles zusammengefasst und als Hausarbeit eingereicht.

Zurück?

Niemals! Ich würde aber sagen: „Weiter!“. Ich glaube nach einem halben Jahr kann ich sagen, dass ich angekommen bin, allerdings würde es mich auch nicht wundern, wenn ich nach dem Studium weiter ziehe, denn es gibt doch noch viele Städte und Orte dieser Welt die man gesehen haben muss, oder?"