Wie es ist mit Legasthenie zu leben

07. Juli 2016

Lesezeit: ~ 4min

Vielleicht ist es schon einigen von euch aufgefallen, vielleicht aber auch nicht: Ich habe Legasthenie. Festgestellt wurde das in der Grundschule. Ich war immer schlecht in Rechtschreibung und Deutsch war meine schlechteste Note, weil ich die Diktate alle nacheinander verhauen habe. Meine Deutschlehrerin meinte immer, das wäre normal ich könnte das einfach nur nicht so gut, aber meine Mutter war hartnäckig und hat mich trotzdem zu einem Test auf Lese-Rechtschreibschwäche geschickt. Der leider positiv ausfiel.
Das ich vor einem Jahr ein gutes Deutsch Abitur hingelegt habe und man es mir kaum noch anmerkt, dass ich Legasthenie habe, habe ich meiner Mutter zu verdanken. Denn eine frühe Förderung ist wohl das wichtigste in einem solchen Fall. Ich hatte lange Förderunterricht, der sich spielerisch mit Rechtschreibung und Lesen befasst hat. In der Schule habe ich eigentlich nie Förderung erhalten und jedes mal wenn ich zum Lesen aufgerufen wurde zog sich mein Magen zusammen. Es ist, als würde man vor allen bloßgestellt werden. Ich habe früher schrecklich gelesen und geschrieben, das mit dem schreiben hat wenigstens kaum einer mitbekommen, aber vor der ganzen Klasse laut vorlesen war einfach nur eine Tortur. Mit den Jahren wurde es immer besser, aber beim lauten lesen fühle ich mich auch heute noch unwohl. Ich hasse es einfach.

Als ich nach der zehnten Klasse die Schule gewechselt habe war es schon so gut mit der Legasthenie, dass ich es meiner Deutschlehrerin gar nicht mehr erzählt habe. Ich wollte einfach für mich die Bestätigung haben, dass ich das ohne irgendwelche Mitleidspunkte schaffe und das ich genauso gut sein kann wie alle anderen. Dann hatte ich zwar oft unter den Aufsätzen stehen, dass meine Kommasetzung Mist ist und ich noch etwas an meiner Rechtschreibung arbeiten soll. Aber als ich ihr nach dem Abitur erzählt habe, dass ich Legasthenie habe war meine Deutschlehrerin ziemlich überrascht und meinte das hätte sie gar nicht gedacht. Nachdem ich Rechtschreibung und Lesen immer als meine große Schwäche gesehen hatte, war das ein großer Erfolg für mich, der durch die gute Note im Deutschabi nur belohnt wurde.
Früher habe ich mich kaum getraut über dieses Thema zu sprechen, ich weiß eigentlich gar nicht wieso, es ist schließlich keine große Schande. Aber irgendwie hatte ich immer Angst, dass die Leute noch mehr darüber lachen, als sie es so schon tun, weil ich keine gute Rechtschreibung hatte und wirklich schlecht und langsam lese. Wenn wir im Unterricht einen Text lesen sollten war ich nie fertig, wenn alle anderen es waren. Das Ende habe ich dann eigentlich fast nie mitbekommen, weil ich nicht wollte, dass die ganze Klasse warten muss, bis ich den letzten Abschnitt endlich gelesen habe. Das wäre auch zu demütigend gewesen, denn Kinder und Jugendliche können verdammt grausam sein.
Ihr seht, man hat es nicht immer leicht mit Legasthenie zu leben. Inzwischen beeinflusst sie mich kaum noch, aber nach dieser Geschichte könnt ihr wohl verstehen, dass ich Menschen die über ab und zu ein falsch geschriebenes Wort lachen einfach nur lächerlich finde. Denn man weiß nie was sich dahinter verbirgt und frühzeitig verurteilen oder gar verspotten ist nie gut. Ich habe so hart an dieser Legasthenie gearbeitet und gebe mir so viel Mühe was Rechtschreibung auf diesem Blog betrifft. Einen Blogpost zu schreiben ohne ihn von jemandem Korrektur lesen zu lassen - was ich am Anfang oft gemacht habe - ist für mich eine große Sache und ein großer Erfolg. Ein paar Klugscheißer gibt es immer aber damit kann ich inzwischen leben.
Nun wieso habe ich diesen Post geschrieben? Das ganze hatte mehrere Antriebe. Einerseits weil mich diese Leute einfach nerven, die spitzfindig über jedes falsch geschriebene Wort lachen und ich möchte, dass sie darüber nachdenken was sie da eigentlich tun. Denn vielleicht erscheint es für sie lustig und ganz normal aber es kann verletzend sein. Andererseits möchte ich den Leuten Mut machen, die auch solche Probleme haben.