Wir müssen politisch werden - warum Nachhaltigkeit der/ des Einzelnen nicht mehr genug ist

30. Dezember 2020

Lesezeit: ~ 7min

Es sind nicht unsere Entscheidungen, nicht was wir essen, was wir kaufen, wie wir reisen. Es sind 100 Konzerne, die 71% der weltweiten Emissionen ausmachen.Pauline Brünger, Fridays for Future Köln

Ich bin seit Jahren nicht mehr geflogen, habe mein Auto verkauft, fahre fast immer mit dem Fahrrad, ... Das wären nur ein paar Antworten auf die Frage: Was tust du, um etwas gegen die Klimakrise zu tun? Diese Frage wird immer gerne gestellt, bei jedem Interview, bei jeder Talkshow, die man im Fernsehen sehen kann. Aber ist das genug? Hinter uns liegen ein paar der heißesten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, Deutschland wird von Dürren und Hochwassern heimgesucht. Wissenschaftler:innen sprechen davon, dass wir in Deutschland bereits bei 1,5 Grad Erhitzung angelangt sind. Was ich als Einzelne tun kann hat Grenzen - denn es sind 100 Konzerne, die 71% der weltweiten Emissionen ausmachen. Ich kann meinen Alltag umkrempeln und laut sein, um Menschen mitzureißen. Aber bis wir je die kritische Masse an Menschen überzeugt haben die im Einzelnen und freiwillig alles nötige umsetzen und klimaschädliche Unternehmen nicht mehr unterstützen, um die Klimakatastrophe zu stoppen, wird es längst zu spät sein. Ich möchte hier auf dem Blog und meinem Instagram-Account immer hoffnungsvoll sein, daran glauben, dass wir, obwohl wir kurz vor dem Abgrund stehen, noch einmal umkehren können und alles zum besseren wenden können. Aber wir müssen aufhören, die ganze Verantwortung auf uns zu laden und da gibt es für mich nur einen logischen Schluss: Wir müssen politisch werden!

Ein paar Hintergründe

Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.

Das ist Artikel 20a unseres Grundgesetzes, er wurde bereits 1994 ins Grundgesetz aufgenommen - 2 Jahre vor meiner Geburt. Unsere Politiker haben uns gegenüber nicht nur eine moralische, sondern auch eine rechtliche Verpflichtung. Unsere Vertreter in der Regierung haben mit ihrem Eid ein Versprechen gegeben, ein Versprechen zur Existenzvorsorge für zukünftige Generationen. Eigentlich müsste sich die Regierung von sich aus an dieses Gesetz halten, denn das Grundgesetz ist die deutsche Verfassung und das höchste Gesetz. Da sie es nicht tun, ist es an uns, unsere Rechte einzufordern.
Fridays for Future wurde zu Beginn ignoriert und belächelt. Man dachte sich: ach die Kinder, die werden schon irgendwann wieder Ruhe geben. In der Masse der Demonstranten habe ich zum ersten Mal seit Ewigkeiten soetwas wie Hoffnung gespürt. Als introvertierter Mensch hätte ich mir nie ausgemalt, das Demos mal ein Ort werden würden, an dem ich viel Zeit verbringe. Aber es kam so, dass ich fast jeden Freitag auf den Demos war und glücklich war, diese unglaubliche Enttäuschung über das Versagen der Regierung endlich loszuwerden. Fridays for Future hat etwas ins Rollen gebracht und die Politik kann uns Klimaaktivist:innen nicht mehr ignorieren. Deswegen ist jetzt der perfekte Zeitpunkt um politisch zu werden und etwas zu tun.

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So kannst du an der Politik teilhaben

Wählen gehen

Jede Wahl ist Klimawahl, die nächste Bundestagswahl steht uns 2021 bevor. Wählen gehen ist der direkteste Weg, wie jede:r Einzelne von uns Einfluss auf die Politik nehmen können. Deswegen finde ich es besonders wichtig dieses Recht immer wahrzunehmen und bei jeder Wahl gewissenhaft mitzuwählen. Es gehört natürlich dazu sich vorher über die Parteien und Kandidat:innen zu informieren. Dafür solltet ihr am besten die Parteiprogramme von Parteien, die für euch in Frage kommen lesen - oder zumindest die Kurzversionen. Außerdem gibt es bei jeder Wahl den Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung, der bei der Entscheidung hilfreich sein kann.

Wenn ihr am Wahltag mal keine Zeit habt, beantragt vorher einfach eine Briefwahl! So könnt ihr eure Stimme gemütlich einige Zeit vor der Wahl von zuhause aus abgeben.

In eine Partei eintreten

Der nächste sehr direkte Weg an der Politik teilzuhaben ist es in eine Partei einzutreten. Allerdings bedarf es dafür etwas mehr Zeit und Ehrgeiz, als für andere Punkte, die ich euch hier nennen werde. Für Politik und Parteien muss man meiner Meinung nach geschaffen sein, nach allem was ich bisher darüber mitbekommen habe, wäre es nichts für mich - vor allem weil mir primär das Thema Klimaschutz unter den Nägeln brennt, eine Partei sich aber über um alles mögliche kümmern muss.
Die meisten Parteien haben eine Art Aktiventreffen oder Stammtisch auf "Ortsgruppen"-Ebene oder ähnliches. Schaut einfach mal was bei euch lokal angeboten wird und so könnt ihr mal "reinschnuppern".


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Demonstrieren gehen

In Deutschland finden jeden Tag diverse Demonstrationen statt und auch wenn diese nicht unbedingt immer sofort einen Einfluss auf die Politik haben, sind sie ein toller Weg um seine Meinung kundzutun. Ab einer gewissen kritischen Masse, wird es der Politik schwerfallen die Demonstierenden und deren Meinung zu ignorieren. Das beste Beispiel dafür ist Fridays for Future, das einziges ins Rollen gebracht hat. Aber schon vor Fridays for Future und auch jetzt noch gab es andere Klimaschutz Demonstrationen. Eine andere Demonstration, die weit verbreitet ist und ich toll finde, ist die Fahrrad Demonstration Critical Mass. Folgt am besten einigen Initiatoren wie Umweltschutzorganisationen auf Social Media, um immer uptodate zu sein - zumindest bekomme ich Demonstrationen meistens auf diesem Wege oder durch Hörensagen mit.

Petitionen unterschreiben

Eine weitere Möglichkeit eure Meinung in die Öffentlichkeit zu tragen ist: Petitionen unterstützen. Erstens könnt ihr Petitionen, die eure Meinung zu einem bestimmten Thema vertreten unterschreiben und zweitens diese auch noch weiterverbreiten und z.B. auf Social Media teilen oder an Freunde schicken. Unsere Politik ist an erfolgreiche Petitionen leider nicht gebunden, dennoch schafft eine Petition mit vielen Stimmen Aufmerksamkeit für ein bestimmtes Thema und kann Politikern zeigen, welche Themen ihren Wähler:innen wichtig sind. Eine erfolgreiche Petiotion, die ich kürzlich unterschrieben habe, war zum Beispiel die Senkung der Mehrwertsteuer für Periodenprodukte - die für viel Aufmerksamkeit gesorgt hat und am Ende auch von der Politik umgesetzt wurde. Viele Petitionen zu Umweltschutz Themen findet ihr bei Change oder openPetition.

Bei einer Umweltschutzorganisation aktiv werden

Für wen Parteien nichts sind, der oder die sollte unbedingt mal bei Umweltschutzorganisationen vorbeischauen. Umweltschutzorganisationen wirken durch verschiedenste Dinge auf die Politik ein, z.B. indem sie Aufmerksamkeit auf ein Umweltthema lenken oder aber auch gegen unzulässige, umweltschädliche Gesetze klagen. Außerdem werdet ihr in einer Umweltschutzorganisation gleichgesinnte Leute finden und könnt dann zusammen an einem Strang ziehen, zum Beispiel indem ihr Umweltbildung betreibt, gemeinsam auf Demos geht oder eigene Volksinitiaten (an die die Politik dann in der höchsten Stufe sogar wirklich gebunden ist) starten.
Ein paar Beispiele für Umweltschutzorganisationen bei denen ihr aktiv werden könnt, die es auch fast überall in Deutschland gibt: der Naturschutzbund (NABU) oder die Jugendorganisation Naturschutzjugend (NAJU), Greenpeace oder der BUND. Wahrscheinlich gibt es auch noch einige kleinere Naturschutzorganisationen, bei denen ihr aktiv werden könnt.
Ich war lange Zeit in der Hamburger NAJU aktiv. Dort habe ich bei der Volksinitiative Hamburgs Grün erhalten mitgeholfen, die auch erfolgreich war und in Hamburg umgesetzt wird. Außerdem haben wir verschiedene Umweltbildungsprojekte geplant und umgesetzt und waren gemeinsam auf vielen Demos (& haben diese teilweise sogar mit organisiert). Inzwischen schaffe ich es aus Zeitgründen nicht mehr, dort wirklich viel aktiv zu sein. Aber auch für diejenigen unter uns, die nicht so viel Zeit haben gibt es einen guten Weg mitzuwirken: Mitglied werden und Geld spenden.